Donnerstag, 26. April 2012

#Delius, #Piraten und die #NSDAP - War da was?

Ist irgendwas passiert?
Irgendwas "Relevantes" meine ich?

Martin Delius soll, laut SpiegelOnline (SPON), die momentane Entwicklung der Piratenpartei mit "dem Aufstieg der NSDAP" zwischen 1928 und 1933 verglichen haben.

Und wo ist das gleich nochmal relevant? Ich meine wirklich und tatsächlich bewegend oder beeinflussend?
In einem "demokratischen Diskurs" indem fast regelmäßig Kommunismus/Sozialismus mit Faschismus/Nationalsozialismus verglichen bzw. "gleichgesetzt" werden, oder sagen wir es verworrener "vergleichend gleichgesetzt" wird?
Wo das diverse Vertreter diverser Interessen und Organisationen bzw. Parteien häufig oder regelmäßig auch ohne großen medialen Aufschrei oder Korrektur tun?
Oder wo die ehemalige DDR als "Unrechtsstaat", noch wichtiger aber als "Diktatur" bezeichnet wird, während es wissenschaftliche Arbeiten und Typologien von Fraenkel, etc. gibt, welche die DDR eher als "Autoritarismus" verstünden und eine solche Zuordnung in wissenschaftlicher Diskussion genauer ist?
Wo ist da die "politische Kultur" oder "mediale Hygiene", die denen, die ständig unreflektiert und absichtlich von "Diktatur" schreiben und sprechen mal "auf die Finger klopfen"?


Das ist nichts anderes als moralisierender, interessengeleiteter Meinungsjournalismus und -mache um andere, divergierende Interessen zu begrenzen und niederzuschreiben.
Es geht ja mithin meist nicht um Definitionen von "Diktatur" oder "Autoritäres System"; das Wort "Diktatur" ist, verständlicherweise, in der bundesrepublikanischen Gesichte deutlich negativ konnotiert. Kann soetwas unwidersprochen im politischen Diskurs gegen politische Gegner verwendet und etabliert werden, dürfte man diverse Stammtische auf der eigenen Seite wissen.
Und einigen scheint es auch nur darum zu gehen und es scheint bisweilen auch mehr als "genug" zu sein.

Sicher ist unverständlich, weshalb man bei einer Diskussion über die eigene Partei anscheinend einen Vergleich mit der NSDAP bringen muss. Man hätte ja auch Anleihen bei den Grünen nehmen können - niemanden hätte es gestört.
Wüsste man es, auch aufgrund eigener Erklärungen und "Entschuldigungen", nicht besser, müsste man fast "Absicht" unterstellen. Schließlich ist die mediale Aufmerksamkeit mal wieder recht groß. Man kann eigentlich auch kaum so "fahrlässig" sein, dies nicht vermeiden zu können, wenn man denn will.
Interessant ja auch, dass diese Äußerung überhaupt an die Öffentlichkeit gelangte, ist es in diversen Interviews doch Usus, erstens "unter Drei" zu bleiben, also bis zur Autorisierung des Gegenteils über Gehörtes nichts nach aussen gehen zu lassen. Mit evtl. späteren Konsequenzen für "delinquente Journalisten". Auch hier ist keine Wertung dieser Praxis gemeint, sondern nur auf den allgemeinen Fakt und Umgang verwiesen.
Oder man widerspricht der Freigabe des Interviews mit dem Journalisten/Magazin, weil man eben genau das nicht öffentlich lesen möchte.
Dann gibt es wiederum zwei Möglichkeiten: Entweder hält SPON sich daran, wie es bei den meisten, gerade größeren, Parteien der Fall sein dürfte, da es auf deren Seite auch genügend großes Drohpotenzial bzgl. Auflage und "Themenlieferung" gibt. Oder das Magazin bringt es auch ohne "Freigabe", hat dann aber vermutlich nicht nur ein "journalistisches Wahrheits- und Berichtsinteresse" wenn man sich ansonsten an genannte "Vereinbarungen", welche nicht so selten sind, hält.
Zweierlei interessengeleitetes Maß?

Außerdem ist die gesamte Hysterie schon mehr als krude.
Wieso soll man die Piratenpartei nicht mit der NSDAP "vergleichen" können? Es ging ja hierbei, im Gegensatz zu Dingen wie "Totalitarismustheorien", etc., nicht um die "allgemeine Vergleichbarkeit". Genau das wurde ja schon in der Aussage selbst ausgeschlossen, da Delius sich auf "den Aufstieg" und auch noch zeitlich eingegrenzt "zwischen 1928 und 1933" bezog. Später wäre dies auch deutlich fragwürdiger gewesen, da Mitgliederzahlen nicht nur geschönt, sondern durch Zwangsmitgliedschaften auch künstlich erhöht wurden und keineswegs immer den jeweiligen individuellen bzw. gesellschaftlichen Willen widerspiegelte.
Aber genau solchem Vergleich ging Delius ja aus dem Wege und hätte darauf auch verwiesen, so notwendig.
Es fällt aber auch auf, dass gerade SPON, welches für die "Skandalisierung" und schnelle Verbreitung initial verantwortlich zeichnet, zwar auf einen eigenen Inhalt verweist, dieser aber auch nicht mehr als das Zitat und den Verweis hergibt.
Delius selbst wird in seinem Blog bzgl. seiner "Entschuldigung" etwas konkreter.

Wieso aber der vielfache "Aufschrei" politischer Akteure?
Da schreien viele "Zeter! Mordio", die sonst auch kaum Samthandschuhe tragen, wenn es um Kritik an "Andersdenkende" oder "Gegner" geht. So kann ich mich an diverse mindestens grenzwertige Zitate über den "Neoliberalismus" erinnern, welche nicht nur ehrenrührig waren.
Außerdem ist es eine krude Konstruktion einer Partei wie den Piraten insgesamt nicht nur ein "rechtsextremistisches Problem" unterstellen oder andichten zu wollen. Wie Oskar Niedermayer zuletzt in der "Freien Presse" aufmerksam machte, sind diese Einstellungen nicht nur, je nach Studie, auch deutlich "in der Mitte der Gesellschaft" angekommen bzw. verwurzelt.
Wenn politische Parteien "Spiegelbilder der Gesellschaft" sein wollen, aber vermutlich immer weniger sind, dann müssen sich diese Einstellungen logischerweise auch dort wiederfinden.
Weshalb also solche Äußerungen?

Es ist nich einmal eine "dumme Äußerung", wie man vielleicht resümieren könnte.
Es ist eine teilweise wissenschaftliche Vorgehensweise: Ein verbaler Vergleich.
Dieser kann entweder "falsch" oder "richtig" sein.
Der "Aufstieg der Piraten" kann also entweder mit dem der NSDAP in genannten Jahren "verglichen werden", oder eben nicht. Das aber ist eine rein Fakten- und Argumentssache. Mit "Rechtsextremismus" ist das erstmal überhaupt nicht verbunden.
Aber über die Aussage und ihr ggf. notwendiges Widerlegen macht sich kaum einer einen Kopf, weil es wiedereinmal nur um kurzfristige, schnelle Skandalisierung geht, in welcher zu klären und bestimmen ist, welche Agenda sich daraus ergibt und wie der Umgang damit verlaufen kann.
Wie bei Christian Wulff damals, als es von journalistischer Seite hiess, er hätte die Vorwürfe einfach nur "früher einräumen und offen kommunizieren" müssen um die Meinung auf die eigene Seite zu ziehen.
Auch dabei ging es überhaupt nicht um die Klärung der Vorwürfe, sondern nur um die "Herrschaft über den (medialen) Diskurs".

Wer Worte wie "Diktatur" dauerhaft etablieren und durchsetzen kann oder wer Leute wie Delius, die mit Affinität mit Rechtsextremismus nichts zu tun haben dürften, in den diesbezüglichen Ruch bringen kann, der bestimmt damit Stammtische. Weil es einfach ist, sich hinter angeblich "richtigen Mehrheiten" zu versammeln, also einfach in einen bestimmenden Diskurs auf Seiten der Mehrheit einzugreifen.

Irgendwie erinnert sowas dann auch frappierend dann auch, wenn auch ein wenig diffiziler, an die von Döring, FDP, kritisierte und angemahnte "Tyrannei der Mehrheit", nur eben offline und gedruckt stattfindend.

Also - nochmal die Frage: War etwas? Etwas Neues? Etwas wichtiges, was man bisher noch nicht kannte oder ähnlich kritisieren müsste und muss wie früher?
Ich kann nichts erkennen.


Und falls das noch nicht genügen sollte: Momentan wird sich, mal wieder, da im Kern schon immer in unterschiedlichem Ausmaß stattgefunden, über die "erschreckenden" oder "überraschenden" Wahlsiege des FN, Front National, beim ersten Urnengang der französischen Präsidentschaftswahl erregt.
Als hätte man das nicht ansatzweise sehen können, wenn man sich diverse Texte wie in der ZEIT las.
Aber mehr noch:
Entweder sind knapp 20% aller Franzosen definitiv "rechtsextrem" und stehen ideologisch voll hinter der FN-Position.
Oder mindestens 20%, rundgerechnet, aller Franzosen wollen ein Ventil suchen und finden um ihre Unzufriedenheit über das politische System, Parteien und Kandidaten auszudrücken.

Und genau das tut in Deutschland momentan, ja wer?
Richtig, die Piratenpartei.
So zumindest wird das auch gesehen und kommentiert, wenn "Nichtwähler" wieder wenigstens "irgendetwas wählen", aus welchem Grund auch immer.
Diese Partei dann evtl. als ansatzweise "rechtsextrem" bezeichnen zu wollen, verkennt und verklärt noch grotesker Realitäten als bisher schon die angebliche "Themen- und Politiklosigkeit", besieht man sich mal die Landesverbände genauer. Man muss nicht übereinstimmen, aber "nichts" ist dort einfach nicht vorhanden.
Statt also den Rechtsextremismus in einer Partei zu suchen, die fast alles öffentlich verhandelt und verhandeln will, sollte man mal überlegen, ob die Nichtwähler oder "Empörten" oder Protestler bei dieser Partei nicht recht "gut aufgehoben" sind, besieht man sich mal Alternativen wie die NPD oder das Beispiel Frankreichs.


UPDATE 27.04.12
Obwohl ich Fleischauer selten beipflichte, ihn aber umso lieber lese, hier ein Zitat gelungener Gedanken letzter Kolumne auf SPON:
"Bleibt die Frage, wie weit Pirat Delius eigentlich daneben lag, als er den Siegeszug seiner Partei mit dem der NSDAP verglich. Nicht sehr weit, muss man sagen. Die NSDAP verachtfachte die Zahl ihrer Mitglieder zwischen 1928 und Anfang 1933, und zwar von 108.000 auf 850.000. So ein Wachstum hat bis zum Auftauchen der Piraten keine andere Partei mehr hinbekommen - nicht einmal die Grünen, die einst die Angst vor dem Atomtod in die Parlamente brachte. Auch was die Mitgliederstruktur angeht, gibt es gewisse Ähnlichkeiten: jung, vorwiegend männlich - wie das eben so ist bei Protestbewegungen."
Nochmal gut zusammengefasst bzw. auf etwas hingewiesen. 

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