Samstag, 3. Juli 2010

#Köhler, #Gauck, #Wulff und die Wahl zum #BP in der #bv10 #mygauck

Eigentlich wollte ich mich zur, irgendwann zum medial-vermittelten Zirkus ausgearteten Bundespräsidentenwahl nicht weiter äußern.
Einige Dinge und kontrafaktische öffentliche Äußerungen nötigen mich allerdings dazu.

Zunächst trat Horst Köhler in einer für sein Amt selbst "unwürdigen" Art zurück, verhielt sich fast wie ein Kind als er dies in der Pressekonferenz im Schloss Bellevue erklärte.

Ideologisch stand Köhler mir niemals nahe, weshalb ich mit seinem Rücktritt kein Problem habe.
Trotzdem ist der Anlass selbst eher nichtig.
Zwar war seine Äußerung zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen mittels militärischer Gewalt im Anschluss an seine Afghanistanreise nicht nur "missverständlich", wie dargetan, sondern schlicht einfältig und dumm.
Mit einer solchen Äußerung stellt man sich per se außerhalb des bundesrepublikanischen Verfassungskonsens, der jegliche Angriffskriege verbietet und nur Verteidigungskriege sowie UN-legitimierte Einsätze bzw. Landesverteidigung ermöglicht.
Beides trifft in Köhlers Ansinnen wohl nicht zu.

Im Allgemeinen stand Köhler der Finanzindustrie und auch dem ständig so einseitig kritisiertem "Neoliberalismus" für meine Begriffe zu nahe.
Allerdings müsste man lange suchen, wenn man etwas substanziell "Gegeteiliges" in den bundesrepublikanischen Eliten auftun wollte.
Daher mutete mir seine Kritik an den "Monstern", den Banken, äußerst durchsichtig und fragwürdig an.
Als ich sie zum ersten Male hörte war ich fast sprachlos: Solch eine Äußerung passte einfach nicht zu Köhler und seinen sonstigen Äußerungen.
Des Weiteren trug sie nichts sinnvolles zu Veränderung im Denken oder praktischen politischen Handeln bei.
Bis dato war er auch eher blass geblieben - für mich aber kein großer Kritikpunkt.

Tatsächlich bedauerlich und geradezu infam find ich die Auflösung des Parlaments im Jahre 2005 durch Köhler, welche im Nachhinein zur Machtübernahme der Großen Koalition durch Wahl führte.
Dieses Vorgehen war kodifikatorisch-verfassungsrechtlich legitim, verstieß meiner Ansicht nach aber nach dem Inhalt und Ansinnen der Verfassung. Meine Auffassung wurde vom BVerfG nicht geteilt.
Die Begründungen, die übermäßige Krisenrethorik Köhlers mutet schon seltsam an, überlegt man sich den wirtschaftlichen "Einbruch" der letzten Jahre - ein Sinken des BIP von bspw. 5%.
Solches war zum damaligen Zeitpunkt weder sichtbar noch erwartbar.
Trotzdem begründete Köhler damit seine Zustimmung zur Auflösung des Parlaments nach getürkter vertrauensfrage Gerhard Schröders.
Hier zeigt sich der Durchgriff prinzipiell ideologischer Denkansätze und Wünsche mit praktisch politischem Handeln.
Und es zeigt, dass im BVerfG sowie Bundespräsidialamt "nur" Menschen sitzen, deren Gestaltungswille selbst mehr bestimmt als die tatsächlich stattfindende Gestaltung.


Nun wurde am vorigen Mittwoch der Kandidat der Schwarz-Gelben Koalitionsregierung im Bund zum Nachfolger Köhlers durch die 14. Bundesversammlung von Bundestag und Bundesrat gewählt.
Diese Wahl war in der Konsequenz absehbar, allein die Art und der Zeitpunkt disponibel.

Im Gegensatz zu vielen anderen sehe ich in der eher "späten" Wahl, dem dritten Wahlgang, für Schwarz-Gelb nicht nur keine aufziehende Instabilität, sondern sogar "das Beste, was ihnen passieren konnte".
In den ersten beiden Wahlgängen wurde die absolute Mehrheit jeweils verfehlt, Abgeordnete der Koalition konnten sich also mutmaßlich Gehör für das als "suboptimal" wahrgenommene interne Klima verschaffen.
FDP-Abgeordnete konnten sich bspw. zwei Mal ihr "Mütchen" kühlen und deutlich machen, dass sie evtl. doch gerne Gauck gewählt hätten.
Dieses Ventil war notwendig.
Als es dann im dritten Wahlgang mit der absoluten Mehrheit zur Wahl Wulffs reichte, zeigte das Stärke.
Wenn es darauf ankommt, steht die Mehrheit obgleich sie nicht einmal notwendig war; die einfache Mehrheit war ihm ohnehin fast sicher.

Vor diesem Hintergrund verblassen als "Achtungserfolg" wahrgenommene Wahlergebnisse Gaucks.
Im Allgemeinen sehe ich wenig Grund und Anlass zu dessen plötzlich massiv gestiegener Popularität und Medienpräsenz.
Die Menschen und Medien benutzen ihn für etwas, was er expressis verbis ablehnt: Gegen den "Parteienstaat".
Wiewohl Parteien als solche unabhängig spezifischer Charakteristika, Richtungen und Führungseliten weiterhin die beste Option zur dauerhaften, systematischen und an Änderungen interessierten Kanalisierung von Interessen und deren Artikulation darstellen.
Jede "Freie Wählervereinigung" ist letztlich eine Partei, ob gewünscht oder distanziert oder nicht, jede "Anti-Partei" also selbst "Partei".
Und Parteien im Übrigen Vereine.
Aber das ist eine andere Sache.

Bei äußerem wachsenden Druck neigen geschlossene Systeme zur Erhöhung des inneren Drucks.
In diesem Falle führt er zur Konsolidierung.
Da die FDP momentan äußerst schlecht dasteht und ein fast desaströses veröffentlichtes Bild abgibt kann sie kein Interesse an bspw. Neuwahlen haben.
Damit ist nicht davon auszugehen, dass die parlamentarische Mehrheit zur Disposition steht - und nur darauf kommt es letztlich an.

Vielmehr glaube ich, dass sich die Festigkeit und Stabilität durch äußeren Druck sogar festigen wird.
Innerhalb der Parteien werden die Messer gewetzt; im Gegensatz zur Bundeskanzlerin wette ich nicht auf den allseitigen Ämterverbleib eines Guido Westerwelle in der FDP.

Durch den klaren und eindeutigen Wahlgang, durch die Präsenz der Stärke einer absoluten Mehrheit bei Notwendigkeit einer relativen, machen die Abgeordneten aber auch einen Willen deutlich.
Medial wird man das nicht so leicht zerreden können obwohl sich die SPD und andere Oppositionsparteien nachvollziehbar und richtigerweise viel Mühe geben dies als Misserfolg darzustellen.

Auffällig war wieder einmal, wie schnell es ein urkonservativer Mann wie Gauck zu solcher öffentlicher Bedeutung bringen konnte.
Stoiber meinte bei Illner zuletzt, Gauck sei wahrscheinlich "noch konservativer" als Wullf.
Womit er sogar richtig liegen dürfte.
Der Vorschlag durch Rot-Grün und dessen Art und Weise muten daher äußerst durchsichtig an.

Das Scheinargument, durch eine Wahl Gaucks hätte sich die LINKE auch öffentlich ihrer "DDR-Vergangenheit" entledigen können, ist mithin nicht nur durchsichtig sondern schlichter Unsinn.
Kein Medium wie der Spiegel bspw. ließe sich von genannten Berichterstattungen durch einen von der LINKEn unterstützten Bundespräsidenten abhalten.
Und u.a. darum geht es.

Am Ende ist egal, wer in Bellevue präsidiert - aktiven politischen Einfluss hat er ohnehin kaum.
Er kann, wie bei der Parlamentsauflösung 2005 und einiger verweigerter Gesetzesunterschriften zu sehen, positive und negative Entscheidungen treffen.
Er ist auch nur ein Fähnchen im Wind.
Da er nur eine einzige Person darstellt, glücklicherweise ohne größere Kompetenz.

Ich plädiere im Kern schon seit Jahren für eine Verfassungsänderung zur Abschaffung dieses Amtes.
Eine Wahl durch das Volk könnte nur mit einer weiteren Kompetenzreduktion einher gehen.
Dass dazu die Verfassung und Stückweit deren Gefüge verändert werden müssten, ist nicht verwunderlich.
Das Amt des Bundespräsidenten allerdings ist kein sinnvoller Ansatzpunkt zum Ausbau partizipativer demokratischer Elemente. Diese sollte schon in den Parteien Einzug halten.

Es gab dann auch noch Stimmen, die nach einem "Bürgerpräsidenten" suchten oder suchen wollten.
Solches ist natürlich antidemokratisch, fast aristokratisch-autoritär.
Es gibt keinen "Präsidenten für das ganze Volk", weil es schon kein "Volk" als monolitisches Wesen gibt.
Dies wäre für eine Kollektivrepräsentanz aber mindestens notwendig.
Alles andere muss notwendigerweise zu Mehrheitswahlen und daher Pluralrepräsentationen führen.
Weshalb eine Amtsvergabe ohne "Wahlkampf" ebenso vordemokratiosch illusionär anmutet.
Diese Zeiten gab es nie und mutmaßlich wären sie auch für immer vorbei.
Ich erwarte eine massive Repolitisierung und Repolarisierung.
Wie auch immer sind Rufe nach "einem Präsidenten", der alles und jeden integrierte suchen nach einem "Führer" alten Gewandes. Und damit unsinnig und falsch.

und das von denen, die sich selbst als ach so groß Demokraten im Gegensatz zum "Parteienstaat" feiern.