Montag, 12. März 2012

Bildungsstudie #Bertelsmann oder: Der Staat und die Kinder



Da gibt es also wieder einmal eine neue "Bildungsstudie", die vorallem gemäß Feststellung, der "Bildungserfolg der Kinder" sei von demjenigen der Eltern bzw. der sozialen Schichtzugehörigkeit abhängig, zitiert wird.

Vulgo: Ein "Akademikerkind" wird mit (deutlich) erhöhter Wahrscheinlichkeit eine Universität besuchen als ein "Arbeiterkind" oder "Arbeitnehmerkind", was immer das dann immer auch heissen soll.
Regelhaft wird ja zwischen sozialen Schichten, sozioökonomischen Stati und diversen anderen Parametern unterschieden.

Nun ist auch diese "Studie" keineswegs neu, deren Ergebnis klar und bekannt.
Wie "der Alkoholiker an der Laterne" hält sich nun wieder jeder an der Studie fest wie es gerade gebraucht wird. So ist "Bertelsmann" nicht gerade für "Interessenlosigkeit" bekannt, selbst wenn sich an wissenschaftliche Verfahren gehalten wird. Von "linken Kritikern", sofern man jemanden so einordnen möchte, sehen dieses Unternehmen und seine Tätigkeiten eher zur Wahrung gewisser Interessen und (ideologischer) Richtungen, konservative und liberale beispielsweise.
Dass nun gerade "linke", SPD und Gründe, solche Studien zur Kritik an der Schwarz-Gelben Bundesregierung verwenden, mutet schon ein wenig seltsam und fragwürdig an.
Aber wie geschrieben: Man nimmt es, wie es kommt und wie man es braucht.


Allerdings drückt man sich auch vor wichtigen, elementaren Erkenntnissen, Aussagen und Folgen.

Zentral dabei: "Vererbung".
Nicht die bio-genetische in dem Falle, jedenfalls nicht gänzlich und stringent. Konservative, vulgo "Biologisten", betrachten Menschen, eigentlich "den Menschen" um ganz korrekt zu sein, also ein "totaler Ansatz, als "genetisch" bzw. "biologisch" wenn nicht "vorbestimmt", so doch restriktiert: Jeder Mensch könne sich eben nur bis zu einem gewissen Punkt im Rahmen seiner "Anlagen", oder darüber hinaus, entwickeln.
Man könne eben nicht aus jedem Menschen einen "Einstein machen" - viele Menschen seien dafür "einfach nicht geeignet" oder "nicht dafür geschaffen".
Das "geschaffen" ist zwar anders gemeint, deutet aber doch recht eindeutig die Stoßrichtung eines religiösen Determinismus an: Früher hiess es, "Gott" habe jedem "seinen Platz zugedacht", also letztlich für eine gewisse Ausstattung gesorgt.
In dieser Tradition kann man, mindestens zum Teil, auch Sarrazins "Deutschland schafft sich ab" sehen, geht er doch in Verbindung mit der "zu 50 bis 60 Prozent vererbten Intelligenz" von Beschränktheit verschiedener Bevölkerungsgruppen oder Ethnien aus.
Komme es dann zu einer "übermäßigen Häufung", könne daraus ja nichts sinnvolles, über sich "hinauswachsendes" oder "besseres" werden.
Sehr verkürzt, teilweise unzulässig, dargestellt um zu plastiziieren.
Die Auffassung zur Intelligenzvererbung ist übrigens nicht auf Sarrazins Mist gewachsen - in diversen wissenschaftlichen Publikationen ist tatsächlich von einer "Intelligenzvererbung" durch genetische Anlagen und deren potenzieller Expressionsfähigkeit zwischen 40 bis 60 Prozent die Rede.

Inwiefern das "Maximalpotenzial" ausgeschöpft wird, ist dann freilich von der "externen Anregung" abhängig. Nebst Gesundheitsversorgung, Bildung, Nahrungsaufnahme, etc.
Und "externe Anregung" soll hier das "Elternhaus" meinen - Kita, Schule, Ausbildung und Uni stehen hier als "systematische Bildungsinstitutionen", die auf ebendieser "Anregung" aufbauen können und müssen.

Die Schlussfolgerungen sind recht eindeutig und bergen "Sprengstoff" gerade für Konservative, manche meinen "Ewiggestrige": Ohne das zu bewerten muss die ökonomische Verwertungslogik des Menschen, worauf ja die Frage des "optimalen Lebenserfolgs" im Sinne einer höchstmöglichen Produktivität mit begleitender und eben nicht "selbstreferentieller" Bildung zielt, mit der Anregungsfrage auf u.a. die Ausweitung der frühzeitigen Kontrolle der Gesellschaft über den "Nachwuchs" hinauslaufen.
Die Gesellschaft verkörpert sich seit Jahrunderten in wechselnd verstandenen und konstituierten Staaten und Staatsverständnissen.
Heisst: Staaten, bzw. "der Staat", müssen/muss an einer frühestmöglichen Kontrolle des "Erfolgs des Kindes" interessiert sein. Nun wollen gewisse gesellschaftliche Interessen/Teile gewisse Kinder schneller aus gewissen "Familien" oder besser "Umfeldern" nehmen. Gewisse "Umfelder" werden ja nicht einmal als "vollwertige Familien" angesehen, wie man zuletzt u.a. an hinter vorgehaltener Hand geäußerter Kritik an Christian Wulff sowie aktuell durch Norbert Geis an Joachim Gauck erkennen konnte.
Diese Klientel wird aber recht schnell recht militant, vorallem verbal populistisch und polemisch, wenn es um "die eigenen Kinder" oder die Nachkommen eigener Klientel geht.

Es heisst ja oft, unser Staat bzw. seine Exekutivorgane seien "auf dem rechten Auge blind"; dies wurde so auch schon für das "linke Auge" von anderer Seite konstatiert.
Vermutlich ist es für die Kinder ähnlich: Es werden schnell Kinder aus "Problemfamilien" genommen, für gewisse Schichten, die gut-bürgerlich oder scheinbar gut situiert daher kommen, dürfte dies deutlich seltener und schwieriger bzw. langwieriger sein.
Schließlich sind in diesen Kreisen Geldmittel für Rechtsstreitigkeiten mit Jugendämtern, Gerichten etc. vorhanden.

Nimmt man beides zusammen, so dürften sich steigende Zahlen von Familien und Kindern ergeben, welche auf staatliche Anordnung "getrennt" werden. Um "Kindeswohlgefährdungen", etc. zu verhindern bzw. abzustellen.
Die Schichtung dürfte dabei aber ebenso ungleich verteilt sein wie bei den Zugängen von Kindern zu höheren und höchsten Bildungseinrichtungen. Vermutlich sogar noch stärker zulasten geringer Verdienender, schlechter Gebildete, etc.
Will "der Staat" als praktische Verkörperung "der Gesellschaft" also die "Maximalrendite des eingesetzten Kapitals", mithin der Bildungseinrichtungen, Steuergelder, etc. sicherstellen, so müssen die Kinder denklogisch früher aus den Elternhäusern raus.
Und zwar so oft und lange wie möglich.
Eine Folgerung diesbezüglich ist übrigens die "Ganztagsschule", wie sie zuerst stark von Wissenschaft, später von der Politik gepusht wurde und sich mittlerweile weitgehend durchsetzte.
Als ambivalent erweist sich zusätzlich allerdings der Trend zu zwei anderen Begebenheiten: "Home-Schooling" und "Privatschulen" bzw. "Schulen in freier Trägerschaft".
So gibt es u.a. wegen der "Angst" gewisser Elternklientel und -schichten vor "sozialem Abstieg" oder "mangelndem sozialem Aufstieg" durch "mangelnde Wettbewerbsfähigkeit" der Nachkommen seit Jahren Separierungs- bzw. "Ghettoisierungstrends" zu erspüren.
"Bildungspraktische Gentrifikation" könnte man es auch nennen: Rückzug höher gebildeter bzw. sozioökonomischer Schichten aus angeblich "benachteiligten" Stadtteilen, sei es wegen hoher "Migrantenquoten" oder schlechterer Schulausstattungen, etc.
Damit werden die Probleme homogenisierter Schulen noch verstärkt.

Im Übrigen meint "Optimierung externer Anregung" nicht zwingend, dass dies auch in "Einrichtungen staatlicher Trägerschaft" ausgeführt werden müsse, auch Privatorganisationen bieten sich gerne an.
Man wird aber zu der Überzeugung kommen, dass gerade durch hohe berufliche Belastungen, "Individualisierungs- und Selbstverwirklichungstendenzen", etc. beeinflusste Eltern die notwendige oder "optimale" Anregung nicht geleistet werden könne. Oder "das Bessere" wenigstens "der Feind des Guten" sei, es also immer "noch besser" ginge.
Worauf im Übrigen fast alle menschengemachte (Gesellschafts-)Systeme (westlicher) Gesellschaften basieren.

Will man die "intergenerationale Transmission", also die Vererbung des Bildungserfolgs der Eltern an die Kinder, reduzieren bzw. ausschalten, so wird es vermutlich am Ende nicht genügen Schulen und Universitäten mit IPads neuester Generation, kostenlose Schulessen und besseren Lehrkräften auszustatten.
Denn die Grundlage und der Ursprung der "Ungleichheit" ist wahlweise entweder "gottgewollt", also biogenetisch gewollt bzw. nicht aufhebbar, oder im Elternhaus wurzelnd.
Dass man damit auch die, manche nennen es "Lebensleistung", Erziehungsleistung der Eltern und vorhergehenden Elterngenerationen desavouiert bzw. verächtlich macht und entwertet - wird kaum jemanden interessieren.
Oben genannte "Mittelschicht" bzw. "Oberschicht", um mal eine sehr simple Schichteinteilung zu wählen, interessiert sich dafür und wehrt sich auch dagegen. Als Beispiel kann wohl das abgelehnte Hamburger Referendum zum Bildungssystem angesehen werden, bei dem gerade gut situierte Stadtteile mobilisiert werden konnten.

Interessant wird, wie sich diese "bildungs- und erziehungspolitische Frage" als Unterpunkt der "sozialen Frage" im Sinne "sozialer Ungleichheit" bzw. "Ungerechtigkeit" entwickeln wird. Denn ich gehe schon von einer größeren "Wehrhaftigkeit" und -willigkeit höherer sozialer Schichten aus.
So heisst es in diversen Reden auch immer, "Kindererziehung" sei "vorrangige und vornehmste Aufgabe der Eltern" bzw. "der Familie". Dies wiederum gilt dann freilich nicht für solche, die es "nicht können" oder "nicht wollen".
Und genau diese Grenzen fließen notwendig, schließlich sind es wie fast überall individuelle Situationsentscheidungen die von verschiedenen Menschen verschieden getroffen werden können. Wovon das abhängt? Richtig, u.a. vom eigenen sozialen Hintergrund, Sozialisierung und Erfahrung. Und natürlich von bürokratischen Hinweisen, Regelungen, Gesetzen.

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