Donnerstag, 8. März 2012

Dauerthema #Facebook und Gedanken zu Alternativen #fb


"Soziale Netzwerke" ist ja auch so ein Dauerthema.
Zwei Artikel, auf Taz-Online und ZEIT-Online, befassen sich momentan in unterschiedlicher Ausprägung und aufgrund differenter Anlässe mit dem Thema.
In der "Freien Presse" wurde der häufiger geschriebene Abgesang auf die VZ-Netzwerke aufgegriffen.

Dabei wird der Status eines "normalen Unternehmens", welche Gewinne erzielen müsste, nicht in Zweifel gezogen. Man könnte ja auch eine Minute lang darüber nachdenken und fragen, weshalb Facebook keine "Premium Services" offeriert oder zumindest Bestrebungen diesbezüglich hegt.
So könnte sich ein Angebot mit "sicherer Datenverwaltung, bedarfsangeforderter Datenlöschung, Verifikationen" und andere durchaus lohnen; jedenfalls dann, falls sich Facebook als "quasi Standard" im Bereich "sozialer Netzwerke" halten bzw. ausbauen könnte. Und momentan zeigt sich, vorallem aufgrund hoher Nutzerzahl, kein ernstzunehmender Konkurrent.

Selbst wenn dieser dereinst auftreten oder empor steigen sollte, was vermutlich aus einem Nischenprodukt heraus geschehen dürfte, ist nicht gesagt, dass sich Facebook als so inflexibel und starr erweist wie bspw. die VZ-Netzwerke. Denn genau darin liegt ja ein "Erfolg": Nicht nur interne Neuigkeiten und Funktionen zu etablieren da man fast schon eine Monopolstellung genießt - auch die Internalisierung externer Modernisierungsschübe ist notwendig.
Je besser sich das dynamische System im internen Anpassen an externe Erfordernisse erweist, desto akzeptierter dürfte es sein.
Hinzu kommt eine Einstellung diverser Internet- und damit Facebook-Nutzer, welche sich vom allgemeinen bspw. politischen System in Bezug auf den Staat und seine Institutionen unterscheidet: Jemand, der sich freiwillig und mit Klarnamen bei Facebook registriert, dürfte eher zu "digital natives", zu "aufgeschlossenen", "Performern", etc. gehören. Diese nehmen die Weitergabe der eigenen Daten nicht nur als notwendig für den Unternehmenserfolg und damit im kapitalistischen Sinne Unternehmensbestehen an, sondern sehen in der Veröffentlichung ihrer Klardaten einen übergeordneten Nutzen, schließlich wird "authentische Kommunikation" möglich.
Eine Ankündigung eines oben genannten "Premium-Service" wäre kommunikationspolitisch allerdings nicht einfach zu bewältigen, dürften doch Fragen aufkommen, weshalb für solche Leistungen gezahlt werden sollte. Es könnten und sollten Dinge sein, die auch der allgemeinen Nutzerschaft zugänglich gemacht werden sollten.
Mit dem System Facebook selbst, als Plattform ohne Zusätze, externe Apps, etc. ist daher kein Geld zu verdienen.
Bleibt nur der systematische Verkauf des von den Nutzern generierten Inputs; dies erfordert immer sensitivere Analyse-, Verwertungs- und Übermittlungsmechanismen und impliziert damit eine zunehmende Abgabe der Kontrolle über eigene, personale Daten durch die Nutzer.

Die einzige Möglichkeit einer durchschlagenden Alternative bzw. deren Gründung im Vergleich zu Facebook müsste daher an aktuellen oder allgemeinen Problemlagen anknüpfen.
Da es ohne verbindliche und sanktionierbare Zahlungssysteme für die potenzielle Mitgliedschaft keine für einen Netzwerkbetrieb notwendige Finanzmittel zum Betrieb großer Serverfarmen geben dürfte, wird es auch weiterhin um Generierung von Mitgliederinhalte sowie deren effiziente Verwertung gehen.
Eine dezentrale Serverarchitektur scheitert an zwei Problemen: Erstens ist es "zuviel Facebook". Es gibt keinen Grund diesem riesigen Mitgliedersystem für ein anderes (zunächst) wesentlich kleineres System den Rücken zu kehren, wenn die Daten auch dann wieder auf zentralen Servern liegen und unklar ist, wer wie darauf zugreifen kann und was damit passiert.
Denn wenn die eigenen und fremden Daten eine neue Art "Währung" im Internet sind und bleiben, dann spielt die Kontrolle über diese Ressource die zentrale Rolle bei Erfolg oder Misserfolg.
Zweitens benötigte es zuviele Server, damit zu große Investitionen Serverfarmen zu eröffnen - Problem eins verschärft sich damit.
Eine Abhilfe böte ein Peer-to-Peer-Netzwerk (P2P), welches nur die Daten auf einem Zentralserver speichert und mit einer umgehenden, sicheren und nachvollziehbaren Löschfunktion ausstattet, welche der Nutzer vorher freigab. Die restlichen Daten und Interaktionen verblieben auf dem Rechner des Anwenders, könnten in eine Cloud gesichert ausgelagert werden und würden nur den verbundenen Mitgliedern übermittelt und bei Aktivierung ebenfalls auf dessen Rechner, evtl. noch verschlüsselt, gesichert um die Übermittlungs- und Abrufeffizienz zu erhöhen.

Nur eine solche Dezentralisierung, ein letztlich komplett anderes Architektur- und Programmkonzept wäre eine interessante Alternative zu Facebook.

Allerdings auch viel komplizierter - Komplexität ist aber immer Begleitphänomen höhrer (Wahl-)Freiheit; davon können Nutzer Facebooks nach diversen Überarbeitungen der Privatspähren-Einstellungen ebenso berichten, auch wenn versucht wird dies durch neue Kategorien, Bildern und Automatismen zu begrenzen. Denn zu viel Aufwand für die Nutzung und Konfiguration schreckt Nutzer ab und verhindert gerade das, was für eine Alternative zu Facebook notwendig wäre: Teilweise Facebook zu werden, in Nutzerzahlen bspw.

Ein Klarnamenzwang wäre mit einem solchen Alternativsystem zwanghaft ebenso unvereinbar wie die unzugestimmte und nicht eingestellte Weitergabe und Verarbeitung von zentral oder dezentral gespeicherten Nutzerdaten.
Dies muss aber gar kein Hindernis sein: Es kann für Nutzer durchaus sinn- und reizvoll sein, die eigenen Daten im Internet freizugeben bzw. zur Verfügung zu stellen. Um personalisierte Werbung, evtl. Gimmicks, Probeangebote, etc. angezeigt zu bekommen.

Vielleicht sollte man bei Konzeption eines solchen Netzwerks auch an eine Implementierung, möglichst wähl- und automatisierbar, von Anonymisierungsdiensten wie JAP oder TOR denken. Zur zentralen Datenspeicherung auf den fixierten Servern bspw., die man dann auch unabhängig von der Freigabe eigener Rechner- und Serverkapazitäten nutzen können sollte.

Was die gesellschaftliche Relevanz Facebooks betrifft erlebte diese meiner Ansicht nach einen direkten Schub durch die zunehmenden allgemeinen Nennungen des Namens in Magazinen und später teilweise auch (Qualitäts-)Zeitungen. Des Weiteren auch fast unvermeidlich durch spätere direkte Themen, Konflikte, Probleme und Einflüsse. Es gab auch mal einen Zeitraum, da war die (Quellen-)Angabe von "Wikipedia" direkt verpönt.
Das ist sie in eigenen gesellschaftlichen Bereichen, wie Wissenschaft, weitgehend erhalten geblieben. Mittlerweile legen wissenschaftliche Studien allerdings keine großen Qualitätsverluste oder -einbußen gegenüber eigentlich etablierten Angeboten wie dem "Brockhaus" nahe.
Viele und wachsende Zahl von Abgeordneten, Institutionen, Mandatsträgern sind bei Facebook und Twitter registriert - gerade dann müssen etablierte Medien auch diese Kanäle zunächst "überwachen", also betrachten. Durch eine zunehmende Nutzung durch Bevölkerung und "Meinungsmachern" diverser Art tauchen die etablierten Medien nicht nur selbst in diesen Portalen auf, sondern zitieren sie auch offline/real.
Ein zumindest bislang sich selbst verstärkender Prozess.

Dinge wie die "Facebook-Revolution", die im arabischen Raum angeblich stattgefunden habe, wurden bspw. in Telepolis anhand konkreter Verbreitungszahlen von Computer, Internet und Telefonen zumindest berechtigt in Zweifel gezogen; gänzlich negiert werden können sie freilich nicht.
Ob hinter solchen, teilweise überschwenglichen und nicht unbedingt vollkommen neuen oder stringend begründeten, Aussagen und Auffassungen, Methode und Absicht steht ist nicht gesichert.
In einer Diskussionsrunde zur "Arabellion" im Deutschlandfunk damals sprach u.a. Tissy Bruhns, nach meiner Erinnerung, auch kritisch über diese Frage.
Zuletzt könnte man soetwas wie einen "westlichen digitalen Imperialismus" bzw. "Imperialismus mit anderen Mitteln" konstatieren - die Befürworten und Claqeure der Freude über die zunehmende Nutzung, Wirkung und angebliche "Demokratisierung und Emanzipation" sind jedenfalls vielfältig und laut.
Wenn es richtig ist, wie ZEITOnline schreibt, dass "Normen" und (Kommunikations-)Muster gar nicht mehr verhandelt, sondern "schwarmähnlich" nur noch ausgeführt und akzeptiert werden, so ist es doch nicht falsch nicht nur die Ablehnung und Verbannung von stillenden Frauen und nackten Brüsten zu kritisieren bzw. hinterfragen, sondern die Sicht der hauptsächlichen Nutzerschaft dieser Netzwerke auf politische Fragen wie fremde und eigene Staaten/Gesellschaften, "Revolutionen", etc.
Mit der übermäßigen Betonung von Dingen wie "Facebook-Revolution" lassen sich interne, innergesellschaftliche Konflikte auch gut nach aussen projizieren bzw. übertragen/verdrängen.
"Innenpolitik mit anderen Mitteln" bzw. "Innenpolitik mittels Außenpolitik kaschieren" nannte man das mal.
Fraglich ist auch, wie durch diese Netzwerke eingeleitete oder begleitete "Anpassungs- und Interaktionsprozesse" im "Mehrebenensystem", bspw. der EU, oder auch international/global funktionieren: Neigen westlich geprägte, bspw. "Deutsche"-Nutzer von Facebook mehr zur Kritik an anderen politischen Systemen, loben sie ihr eigenes eher, zeigen sie Solidarisierungsbewegungen bei Konflikten oder sind sie für die externe Kritik an inneren Zuständen ebenso empfänglich?
Gibt es da (systematische) Unterschiede zur realen, offline-basierten Kommunikation und Einstellungsbildung?

Facebook wurde zu einem Kanal der "unbedingten Nutzung".
Viele Beiträge verweisen zwar auf Artikel in Magazinen oder Zeitungen, doch sind die daraus mglw. entstehenden Diskussionen relevanter als der Verweis selbst. Eigentlich wäre es systematisch konsequent gewesen, wenn die Inhalteanbieter ein eigenes System zur Kommentierung eingeführt hätten. Sie versuchten und versuchen es auch mit eigenen Foren, Registrierungsangeboten, personalisierten Accounts, etc.
Aber eine direkte Kommentierung im Artikel, mit Markierung von Text auf der Website und Öffnung eines Kommentarfensters mit Eingabe des Texts und Speicherung nach Absenden sowie dargebotene Diskussionsmöglichkeit für alle weiteren Betrachter blieb aus.
Damit war die Zentralisation auf einer externen Website anhand eines Accounts und personalisierten Datenbestands, welcher "Kontakte" oder "Freunde" einschließt, notwendig und erwartbar. Somit ist auch weniger relevant was mit den aggregierten Inhalten geschieht, sondern was darauf aufbauend an neuen Inhalten generiert wird - eben bspw. genannte Kommentare.
Und doch sind die meisten Kommentare nur im "Netzwerk der Freunde", also unter verbundenen oder abonnierten Profilen sichtbar. Vieles darüber hinausgehende bleibt verborgen und es kommt, wie in einem Beitrag im letzten APUZ von bspw. Miriam Meckel beschrieben, zum bekannten Effekt der "Selbstselektion". Man umgibt sich gerne mit Dingen, die letztlich bestätigend wirken und Algorithmen wie bei Facebook, die Nutzerverhalten analysieren und in die Zukunft extrapolieren, ermöglichen bei "unkritischer" Anwendung eine noch größere Abgeschlossenheit des Nutzerkreises als früher und das selbst bei Wegfall "medialer Gatekeeper".

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