Dienstag, 23. Februar 2010

Fluch und Segen des #Internet. Oder: #Digitalisierung des Krankensystems Teil 2

Eigentlich ist es ja nicht meine Art, gewisse Trend- oder Prognosebekundungen meinerseits öffentlich bekanntzugeben, ich nehme meist mit halböffentlichen, freundschaftlichen oder selbstgesprächigen Entäußerungen vorlieb.
Letztere auch, da die mangelnde Gesundheitsgefahr derselben mittlerweile allseits bekannt sein sollte und daraus keineswegs auf Psychosen, etc. geschlossen werden kann.

Sowas bedachte ich heute erneut, als ich eine Wiederholung der Diskussionssendung "Im Palais" sah, in der Frank Schirrmacher, Herausgeber der FAZ, anführte nach einem Gespräch mit einem der Google-Gründer auch bzgl. seiner eigenen Sicherheit im Unklaren zu sein.
Dabei verwies er darauf, dass es bald möglich werden könnte, auch Daten wie die eigene Krankengeschichten sowie DNA, etc. an Google zu "übergeben", wenn daraus ein "Mehrwert" erwüchse.

Nun gibt es solches bereits in den USA: In Google-Health könnte man seine Daten auch heute schon eingeben, nur sehe ich darin die Gefahr der eindeutigen Zuordbarkeit eigener Krankheitsdaten zu bereits bestehenden Google-Profilen, anderen Daten die die Suchmaschine auffindet und deren Zugänglichkeit bspw. für Arbeitgeber.
Letzteres sollte gerade gesetzlich untersagt werden.
Mit dem Gendiagnostikgesetz wurde hier bereits ein Schritt in die richtige Richtung gegangen, doch gehen wir mittlerweile meines Erachtens in Teilen des Internet in einen Abschnitt über, indem gerade der Gesetzgeber stärker regelnd eingreifen muss, um - wie es auch in anderen Bereichen schon ist - dem Individuum notwendigen Schutz gegen Monopole oder übermächtige Konzerne zu geben.

Google ist ein gutes Beispiel.
So gerne ich mit GMail, GoogleMaps, GoogleEarth und mittlerweile auch Buzz arbeite, so groß und datenhungrig ist der Konzern auch.
Ironisch schon fast, dass ich dies bei Google blogge.



Technologie und das Internet sollten die Medizin wenn nicht "revolutionieren", so doch individualisieren.
Überall geschieht dies bereits: Wir führen Online-Banking aus, Kaufen und Verkaufen online, hören durch Algorithmen "auf uns zugeschnittene" Musik, haben zig Profile in Sozialen Communities.
Für eine wissenschaftlich fundierte, von einem Arzt akzeptierte Blutdruckmessung allerdings müssen wir die Arztpraxis aufsuchen, wo beim Patienten erneut mit teilweise batteriebetriebenen elektronischen Messgeräten, so die Arbeitskraft und Zeit für die Schwester gespart wird, ein Wert bestimmt wird.
Werte für den Blutzucker, den Diabetiker bestimmen müssen, werden in ein Kärtchen eingetragen, welches dem Arzt bei nächstem Besuch vorgelegt werden.
Für ein Echokardiogramm, EKG, muss auch meist mindestens der Hausarzt aufgesucht werden, ebenso müssen Rezepte und Überweisungen analog und offline abgeholt werden, wie ich bereits "beklagte".

Da eine große Zahl (deutscher) Haushalte mittlerweile über schnelle und kostengünstige Internetzugänge verfügt, könnte man das deutlich effizieren.
Und man wird es tun.
Gerade wenn im Krankensystem Kostendrücke (künstlich) aufrecht erhalten oder weiter erzeugt werden und kapitalistisch-gewinnorientierte Mechanismen raumgreifen.
Und gerade das, was Schirrmacher kritisierte, den amerikanischen "Computer Doc", einen Arzt also, der sich mehr mit dem Personal Computer und der darauf laufenden Software beschäftigt und auch im Patientengespräch mehr darauf sieht, als den Patienten anzusehen, wird man damit nicht los.
Man fördert es eher weiter.

Meine für mich durchaus bedauerliche Auffassung, die angewandte Medizin verlagere sich zunehmend in den Verantwortungsbereich jedes Einzelnen, der dafür jedoch heillos überfordert ist, halte ich aufrecht.
Weil dem so ist, wird sich der Markt für Angebote zur "Patientenbildung" oder zur Rechtedurchsetzung für Patienten gegenüber medizinischem Personal neu begründen oder ausweiten.
Das wird auch notwendig, denn das nun zu individualisierende und dem kollektiven Sicherheits- und Fürsorgegedanken zu entreißende System ist kein "normales" Produktionssystem.
Man kann im Laden ein falsches Brot oder beim Autohändler ein falsches Auto kaufen.
Davon stirbt - bei Einhaltung deutscher Sicherheitsstandards - erst einmal niemand.

Ob ein Patient aber eine spezifische, ggf. invasive und mglw. teure Untersuchung bekommt, die so vielleicht gesetzlich vorgeschrieben ist, der Arzt oder die Klinik es aber abwiegeln oder gar (indirekt) ablehnen, kann lebensentscheidend sein.

Meine weitere These, dass es großteils engagierte und interessierte Ärzte brauchen wird, weil für alles andere zunehmend Medikamente und Apparate zuständig sein werden, halte ich ebenso aufrecht.
Dass dies so von allen Medizinern bereits verstanden wurde, wage ich stark anzuzweifeln.

Wenn Patienten also kleine Blutdruck-, Blutzucker- und EKG-Messgeräte bekämen, die eine automatische Übermittlung per WLAN an einen Zentralrechner einer Praxis ermöglichte, bedingte das eine Zeit- und Geldeinsparung.
Bedingte des weiteren ein anfälliges, großes, schwerfälliges Computer- und Serversystem.
Und sicher käme auch irgendwie wieder Google ins Spiel.
Ob der Patient, dessen Aktentransparenzrechte und seine allgemeinen Rechte gegenüber dem System im Vordergrund stehen wird, darf ebenso bezweifelt werden.
Auch heute schon können informierte und engagierte Patienten für Kosten- und Zeiteinsparungen sorgen, so sie selbst noch nicht zu krank dazu sind und von Ärzten und Bürokratie keine zu großen Steine in den Weg gelegt bekommen.
Wenn man aber fast "flehen" muss, um seine eigene Krankenakte vollständig zu bekommen, kann von dem vorgenannten Zustand wahrlich keine Rede sein.
Und nicht jeder Patient ist gleich fit und kann in gleichem Ausmaß seine Rechte einfordern und ggf. durchsetzen.
Also müssen/werden es andere tun: Private oder der Gesetzgeber für alle.
Letzteres wäre zu begrüßen und ist überfällig.

Gegen meine obige Auffassung spricht bspw. die Einführung der Telematik im Gesundheitswesen durch die "elektronische Gesundheitskarte", eGK.

Doch halte ich das nur für ein zwischenzeitliches Scheitern.
Je stärker wir unser Leben ins Internet verlagern und je kritikloser wir dies akzeptieren und leben, desto wahrscheinlicher wird auch diese Spähre einbezogen.

Und - meiner Ansicht nach folgerichtig: Desto wahrscheinlicher steuern wir auf die große Wand zu, die für jeden exorbitanten Trend einst kommen muss.
Wann weiß ich nicht, wie und warum ist mir ebenso unbekannt.
Allein, dass es so kommt, da bin ich sicher.
Ist auch keine Verschwörungstheorie, eher eine aus Beobachtungen anderer Gesellschaftsbereiche abgeleitete Erwartung.

Bislang sind so viele Reklamationen verschiedener Gesellschaftsteile entweder ausgeblieben oder nicht laut genug vernommen.
Ich denke dabei z.B. an Menschen, die kaum noch sinnvoll Fahrkarten für die Deutsche Bahn lösen können, da sie (altersbedingt) nicht mit den Automaten dieses Unternehmens umgehen können oder zum "Lernen" gezwungen werden sollen.
Höflich wird diese/r - je nach Lesart - Zwang/Nötigung als "Gap", Kluft zwischen den "digital natives", den Generationen, die quasi "natürlich" mit dem Internet aufgewachsen seien und dem Rest, beschrieben und benannt.
Ich erwarte auch hier vernehmbarere Beschwerden.

Paradoxerweise, zumindest für meinen Beitrag, könnten gerade oben genannte Mechanismen von diesen Generationen geradezu euphorisch begrüßt und erwartet werden.
Verkürzt ein gutes, handhabbares und funktionierendes EKG doch jederzeit die Zeit bis zum Arztkontakt und ermöglicht einen klinischen Aufenthalt innerhalb der "Goldenen Stunde", was die Überlebensrate bei Herzinfarktpatienten massiv steigert.
Ein weiterer, damit sofort verbundener Prozess, ist meiner Meinung nach ähnlich dem, was Michel Foucult einst als "Biopolitik" zu bezeichnen pflegte.
Die Ausdehnung der Ein- und Übergriffe auf das Individuum entweder durch "den Staat", die Bürokratie, oder durch gesellschaftliche Normen.
So könnte es irgendwann dazu kommen, dass Rauchen nicht nur geächtet ist, sondern auch entweder viel zu teuer um es in gesellschaftlicher Breite auszuüben, oder gesellschaftliche Normen ein sanktioniertes Missverhalten überwölben.
Ähnlich sieht es mit Adipositas oder allgemeiner dem Gewicht der Menschen aus.
Nicht nur, weil es dem System Geld kostet, was wiederum nicht unpopulistisch mit "den Steuerzahlern" gleichgesetzt werden kann und daher Angriffsfläche bildet, nein schon heute sprechen einige davon, die Systeme würden "immer teurer", aber nicht zwingend effizienter.
Ob das stimmt, steht mal dahin, die Argumentation ist einfach und verfängt.
Wenn die Optionen zur Einsparungen bei Ärzten, Kliniken, Betten und Medikamenten denn einst tatsächlich ausgeschöpt sein sollten, wird man denklogisch auf das Individuum durchgreifen.
Denn dieses trägt mit seiner Lebensweise - mutmaßlich - deutlich zu den Systemkosten bei.
Die Argumention lautet dann schnell: Entweder kommt es zur Anpassung des Verhaltens, oder höheren Versicherungskosten bzw. nur einer Basisversicherung.
Und das wird schleichend und mit Billigung der Masse stattfinden; ein Angstklima mit kommuniziertem Systemende bedingt die Erhaltung des Status Quo mit gewollten Einschnitten.

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