Montag, 31. Mai 2010

#Lena, #ProSieben, #Raab und übermäßiger, überdrüssiger Medienhype zum #songcontest #esc

Eigentlich gab es heute ein Thema, dessen Aufreger-Intensität zumindest für mich unerträglich hohes Niveau erreicht hatte: Lena Meyer-Landrut, der Eurovision Song Contest, Stefan Raab sowie Prosieben und ARD.

Am frühen Nachmittag legte dann Horst Köhler, seines Zeichens Bundespräsident, mit sofortiger Wirkung das Amt nieder.

Weniger die Ereignisse als solche geben für mich Anlass zur Kritik, sondern deren vorallem mediale Verarbeitung und Kommunikation.
Da wird "Lena", den Nachnamen nennt man sinnigerweise und zur Erhöhung der Identifikation schon nicht mehr, zur "Rettung Deutschland" aus dem "Schuldenjammertal" hochstilisiert.
Ich persönliche finde ja weder den Schuldenberg, noch das Thematisieren desselben kritikwürdig - endlich befasst man sich einmal damit, wenn auch falsch, könnte man meinen.

Deutlich wird aber, dass hier eine Person zu etwas gemacht wird, dass sie nicht ist.
Anscheinend, so entnehme ich es der heutigen Pressekonferenz mit u.a. Stefan Raab, ist sie sich dessen aber sehr wohl bewusst und beherrscht das mediale Spiel. Raab und andere Kommunikationsfachleute dürften briefend auch ihr übriges dazutun.

Bis zur genannten Pressekonferenz mutmaßte ich ja eine gewisse "Naivität" und gar "Dummheit" von Frau Meyer-Landrut, die ich bewusst nicht mehr "Lena" nennen werde; ihr Benehmen schien mir unbewusst, nicht gesteuert und daher nicht in die mediale Verwertung passend.
Schließlich gehe ich davon aus, dass im Sinne kapitalistischer Verwertung nichts längerfristig publik wird und sich halten kann, was nicht mit dem Produktionsprozess "kompatibel" ist.
Und gerade Kritik am System scheint mir inkompatibel zu sein.
Doch gerade das wiederum macht sie für viele Menschen offenkundig so interessant.
Immer wieder wird auf ihre "Frische" und "Offenheit" verwiesen, sie wagte heute gar das Instrument "casting-shows", welches ihr zu ihrem "Erfolg" in Deutschland verhalf, als schlecht darzustellen.
Stefan Raab, der "Ausrichter" lachte.
Wobei ich ihre Auffassung ja durchaus teile, aber doch auf ihren scheinbar schnell-vollzogenen Sinneswandel verweisen muss: Wenn solche Shows "Mist" sind, dann bleiben sie es auch, so man selbst teilnimmt bzw. gar gewinnt.
Da gibt es keine zwei Wahrheiten.

Ich fand den Auftritt der 19-jährigen "Unser Star für Oslo"-Siegerin nicht aufregend oder überzeugend.
Auf mich wirkte er unchoreografiert, in der FAZ gar als "joecockerhaft" bezeichnet, undurchdacht und auch sängerisch wenig überzeugend.

Einzig überzeugendes "Argument" war für mich von Anfang an der Song.
So dachte ich mir nach ein oder zwei Mal hören, er sei als "Hitsong" geschrieben worden, was anhand spezifischer Computerprogramme, Algorithmen und deren Auswertung z.b. mit Hilfe und in Massencommunities wie Facebook und Last.FM nicht mehr das Problem ist.
Der Text und die Melodie sind eingänig, einfach, der Refrain sehr einfach zum Mitsingen.
Nach wenigen Hörzahlen hatte ich einen kleinen Ohrwurm, was bei mir ein untrügliches Zeichen für ein zumindest "akzeptables" Lied darstellt.
Hier gebührt also meiner Ansicht den Autoren mehr Erfolg und Zuspruch als Frau Landrut als Präsentationssubjekt - oder -objekt. Je nach Perspektive.

Grandios in seiner spezifischen Nische natürlich auch Stefan Raab.
Der Song Contest war in den letzten Jahren eigentlich klinisch tot, niemand interessierte sich mehr so recht für ihn und Abgesänge hagelte es ebenso.
Die Änderungen des Regelbestandes bekam ich noch randständig mit.
Dann kommt jemand wie Stefan Raab mit einem spezifischen Namen in der Branche und ProSiebenSat1 Media im Rücken und beginnt große Werbekampagnen für diese Veranstaltung.
Was so gut funktionieren konnte, eben weil sie kaum noch einer auf dem Zettel hatte.
Schon die Show "Unser Star für Oslo" als Qualifikationscasting wurde mit viel Medienpopanz und Werbemacht in den Fernsehmarkt gedrückt - Raab war die einzige Kontinuität und Qualität in der Sendereigenen Jury.
An Auftritte Nenas kann ich mich noch als vollkommen unterirdisch erinnern; Raab allerdings fiel mir schon damals recht zielorientiert und interessiert positiv auf.
Was er macht, macht er, momentan wenigstens, "richtig": "AutoballWM", "Schlag den Raab" und weiteres, dazu fast penetrantes Crossmarketing und Kooperationen mit anderen Sendern, wie bspw. ARD.

In genanntem öffentlich-rechtlichem Sender fiel mir am Abend der Übertragung etwas äußerst negativ auf: Der Reporter/Moderator.
Sowas penetrant "patriotisches", verbunden mit vollkommener Unsichtbarkeit eines ruhigen, rationalen journalistischen Selbstverständnisses kam mir selten unter.
Und das bei einem gebührenfinanzierten Sender; von Privatsendern ist man kaum noch anderes gewohnt.

Im Kern mag ich mit der Übersteigerung sowie Glorifizierung dieses gewinnmaximierenden Prozess' wenig bis nichts anfangen.
Frau M.-L. mag ihre Vorzüge haben, ist 19 Jahre alt und Raab selbst meinte, sie hätte "mit jedem Lied" gewonnen.
Die besitzt ein TV-Gesicht und eine TV-Figur und benimmt sich medienadäquat.

"Gut" und "sinnvoll" wird es dadurch trotzdem nicht.

Für mich bleibt abzuwarten, ob sie ihre Frechheiten auch gegenüber Raab, dessen Produktionsfirma und ProSieben wird durchsetzen können.
Denn bislang ist sie wenig bis nichts: Gehen Raab und ProSieben, verschwindet sie in der Versenkung.
Hier ist also ein Emanzipationsprozess notwendig ohne den "Gönner" Raab zu verprellen.

Wie nannte es Raab heute so schön?
"Flexibilität" ist in der Medienindustrie notwendig und er gehe ganz gerne mal fremd.
Sie sollte und - so sich das heutige Bild bestätigt - wird von ihm lernen.
Und am Ende doch weit stärker reüssieren als ich zunächst dachte.

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