Samstag, 9. Mai 2009

Ich habe es langsam satt.

Was?

"Generationengerechtigkeit".

Zumindest wenn sie im praktisch-politischen (Tages-)Diskurs genannt und bemüht wird. Sie wird, wie bspw. auch Statistiken, zunehmend häufiger für allerlei Ideen Konzepte, Ge- und Verbote in Haftung genommen.

Eine sogenannte "Schuldenbremse" soll im Grundgesetz verankert werden.
Der Grund sind Kredite und Verpflichtungen am BIP und gemessen an den jeweils zinszahlenden Bundeshaushalten. Befürworter argumentieren, dass heute aufgenommene Kredite zumindest auch heute mit festen Rückzahlungs- und Tilgungsschritten gekoppelt werden müssten.
Das geht natürlich fehl: Die Gesamt- oder auch nur Teilverschuldung der öffentlichen Gebietskörperschaften des Bundes, der Länder und der Kommunen können nicht innerhalb einer einzigen Generation abgetragen werden. Somit verstößt die Festsetzung eines Tilgungsplans per se gegen das Konzept der Generationengerechtigkeit, da die nachfolgenden Generationen, auf die der Plan zunächst einmal festgesetzt zukommt, nicht "gefragt" werden können, inwiefern das sinnvoll und richtig ist.
Dass Planänderungen ohnehin notwendig werden, wenn sich Umfeldparameter ändern, sollte klar sein; bei massiven Konjunktureinbrüchen kann eine hohe Tilgungsquote sicher nicht eingehalten werden.
Die Befürworter und Propagandeure der "Generationengerechtigkeit" verletzen sie also ebenso - möglicherweise nur etwas weniger als die, die Kredite eingehen und nachfolgende Regierungen vor vollendete Tatsachen stellen.

Im Allgemeinen ist "Generationengerechtigkeit" in diesem Sinne irreführend und unsystematisch: Parlamente und Exekutiven verfügen in unserem politischen System vermittels Bevölkerungsvoten über Durchsetzungsmacht. Das nennt man auch "parlamentarische Demokratie". Natürlich müssen die Menschen zu jeder Zeit die Folgen gesetzgeberischer Entscheidungen von Parlamenten tragen, somit auch Steuern und Kredite. Allerdings wären Anpassungen, weitere Kredite oder Rückzahlungen vor der realen Rückzahlung nominal und virtuell von ebendiesen Parlamenten zu beschließen. Das heisst, dass das ganze Konstruktum von vornherein dem demokratischen Macht- und Wahltakt ausgeliefert. Es ist also keine Lösung des Problems.
Mithin nimmt die Argumentation so gesehen Züge einer "Identitätsthese" anderen Inhalts an: Die Identität von Volk und Regierenden ist in einem parlamentarischen Regierungssystem unmöglich, obgleich es unter aktueller politischer Kultur nicht schaden dürfte, ab und an in Maßen so zu denken.
Im aktuellen Fall aber soll gesagt werden, dass eine Identität zwischen der Generation, die die Schulden aufnimmt und der, die diese abtragen muss, existiert. Dem ist nicht so. Es gibt nicht einmal eine Identität der Entscheidungsträger, mithin ist genau dieser wichtige und eminente Verantwortungsbogen noch fluider und volatiler als die Generationsaggregation. Wahlzyklen takten regelhaft zwischen vier und fünf Jahren. Hernach sind die politischen Entscheidungsträger, die für kritisierte Handlung verantwortlich sind, nicht mehr im Amt. Um die Verantwortung aber zuordnen zu können, müssen entweder stabile, längerfristige Organisationen und Institutionen gebildet werden - das sind dann Parteien und Organisationen - oder sie müssen, sofern vorhanden, in Haftung genommen werden.
Somit werden parlamentarisch agierende Parteien für Entscheidungen von exekutiven Parteimitgliedern als Individuen agierend in Haftung genommen. Das birgt systematische Probleme.

Um die Verantwortung aber über längere Zeitzyklen systematisch und vernünftig nachvollziehbar zuordnen und Stimuli bzw. Sanktionen setzen zu können, müsste "das Volk" an einer langen Amtsinhaberschaft der handelnden Personen interessiert sein. Oder an stabilisierenden Organisationen, also systematisch notwendigen und einflussreichen Organisationen, vulgo: Parteien.
Dem wohnt ein immantentes Stabilisierungsinteresse inne.


Union und FDP argumentieren aus meiner Ansicht nach eher tages- und wochenaktuellen Gesichtspunkten, wie hohe Energiepreise, etc., für die Atomkraft.
Unter anderem diese halten jedoch auch "Generationengerechtigkeit" stets hoch.

Wie bitte soll das zusammen gehen?
Hat jemand außer den Grünen einmal angesprochen, wie grunddumm das nach heutiger technologischem Stand ist? Die Atomkraftwerk-Brennstäbe müssen teilweise noch 10000 (!) Jahre gelagert werden, das sind zig Generationen, die heute nicht gefragt werden können und vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
Und bis dato ist es eben nicht möglich auch nur ein sinnvolles und dauerhaftes deutsches Endlager für solche Brennstäbe zu benennen.
Zumal Atomkraftwerke, deren Bau und Betrieb, durch Steuerzahlergeld massiv großsubventioniert wurde. Ob das Geld dann also für Renewables-Subventionen oder AKW-Subventionen ausgegeben wird ist eine eher groteske Diskussion, verliert man dadurch doch das Grundproblem aus dem Blick.

Dabei bin ich keinesfalls so verbohrt, für morgen das 100%-Ziel auszugeben, der Atomausstieg scheint mir aber machbar und sinnvoll zu sein. Erwartbar werden einige nach einer erfolgreichen Wahl aber an einer Änderung interessiert sein.
Atomenergie ist aus kuze und mittlere Frist notwendig; trotzdem sollte noch mehr in effiziente Technologien und in effziente Fördermethoden investiert werden.


Im Allgemeinen ist "Generationengerechtigkeit" ein fragwürdiger Begriff: Ich bin ein Mitglied einer anderen Generation als meine Eltern. Ich kann durch Wahl meine Meinung und Wünsche artikulieren, somit im System selbst über die "Gerechtigkeit" über meine Person entscheiden.
Weshalb also ein Feld der politischen Handlung und Aktion aus dem sytemischen Zusammenhang reißen?
Populismus und Polemik.

Es gibt Berechnungen, die zeigen können, dass heutige Schulden mit folgenden Investitionen in unterschiedlichen Bereichen der Wirtschaft eine positive Rendite bedingen. Dazu gehört nach allen Informationen die mir vorliegen das gesamte Bildungssystem vom Kindergarten und der Kita an.
Hier von "Generationengerechtigkeit" in der Finanzierung zu reden wäre grotesk: Die Eltern müssten wie beim Familienwahlrecht mit zusätzlichen Stimmen darüber entscheiden. Dann kann man auch gleich die Eltern in der Wahl befragen.
Und ob den zukünftigen Kindern das System wie es zum kommenden Zeitpunkt sein wird noch so rentirlich nutzen wird, ist fraglich; mithin ist diese Diskussion müßig.
Das sind letztlich Kollektivgüter, die (teil-)individualisiert werden oder werden sollen. Darunter leiden zumeist die, die keine oder nicht ausreichende private Mittel zur Kompensation aufbringen können.
Somit ist das Argument der "Generationengerechtigkeit" auch eines zur weiteren Individualisierung kollektiver sozialstaatlicher Leistungen.

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