Samstag, 10. April 2010

Griechenland, Finanzsystem und Heuchelei und Systemrelevanz

Seit geraumer Zeit wird das Beispiel Griechenland benutzt um allerorten von "Staatspleiten" zu fabulieren.

Ich möchte nun nicht auch noch darauf einstimmen, hohe Rentenzahlungen, die gemäß griechischen Bonisystems gar nicht so hoch sind, und anderes fast schelmisch zu kritisieren.
Auch nicht erneut auf den Umstand hinweisen, dass Staaten der Eurozone Staatsdefizite eben nicht durch Abwertung der eigenen Währung negieren und vermindern können.
Oder ebenso der Auffassung zustimmen, Außenhandelsungleichgewichte trügen zu solchen und anderen Problemen bei, wie dies das Blog "Wirtschaftsquerschuss" oder Albrecht Müller in den "Nachdenkseiten" oder diverser Bücher tut.

Es drängt mich hier einfach festzuhalten, mit welcher Verve und Heuchelei hier über Staaten und Völker hergezogen wird, während tiefer gehende oder schwer wiegendere Probleme nur unzureichend gewürdigt zu werden scheinen.

Ich meine so zum Beispiel die Verschuldung der USA, das "[im] Februar 2010 mit einem Defizit von -220,909 Mrd. Dollar, dass höchste jemals in einem Februar gemessene Staatshaushaltsdefizit aus[wies]"
Es steigt seit Jahren massiv an, der Balkenchart bei Wirtschaftsquerschüsse ist beängstigend, die jährlichen Einnahmen und Ausgaben geradezu grotesk.
Da fehlt schon seit längerem jeglicher Gleichlauf.
Die Staatsverschuldung kennt nur eine Richtung und verläuft exponentiell.

Was unterscheidet Griechenland von den USA?
Gewicht im Wirtschaftssystem bspw. - Nordamerika bspw. macht rund 28 Prozent, die USA 25 Prozent, am weltweiten Bruttoinlandsprodukt aus (Zahlen vom Blog Tradeinvestment); Griechenland dagegen nicht einmal 7 Prozent.
Die Zinssätze der US-Staatsanleihen, das ist der Zins, den die USA zahlen müssen, um sich weiter verschulden zu können, sint trotzdem seit Jahren.
Eine irrwitzige Veranstaltung.
Offensichtlich sind die "privaten Finanz- und Kapitalmärke" davon "überzeugt", dass die USA sich günstig refinanzieren oder aber ihre Schulden jederzeit bedienen können.

Ob dem so ist, oder nicht spielt für mich auch nicht die Rolle.
Es könnte ja auch die Erwartung einer deutlich-kompensatorischen wirtschaftlichen Entwicklung widerspiegeln.

Worum es mit geht:
Wenn der Fall der Zahlungsunfähigkeit einst eintreten sollte, wird es gewisse, heute als grundlegend geltende, Regeln nicht mehr geben.
Ich vergleiche das gerne mit der Enteignung der Aktionäre der Hypo Real Estate (HRE) zur "Rettung" einer "systemrelevanten" Bank.
Damals wurde nicht eindeutig geklärt, was "systemrelevant" eigentlich bedeuten soll und sinnvolle Handhabungen abgelehnt.
Was auch "Sinn" macht, wenn man das Spiel was manche spielen oder allgemein abläuft, erstens weiterhin so ablaufen lassen möchte und zweitens zu verhindern sucht, (notwendige) Maßnahmen auf dieser Basis schon heute zu ergreifen.
Macht man nämlich quantitative Angaben zur "Systemrelevanz" und leitet daraus bspw. die Notwendigkeit zur "Stärkung der Eigenkapitalbasis" ab, müsste man Kreditinstitute dazu zwingen.
Eine Deutsche Bank, in Hochzeiten der "Finanzmarktkrise" mit einer Bilanzsumme von 2 Billionen EUR, könnte man aus solchen Maßnahmen sicher nicht ausschließen.

Sollte es einst zu einer "Zahlungsunfähigkeit" kommen, welche nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben nur mehr kodifiziert werden müsste, dürfte es bei einer Mindestschwere des Problems keine "privaten Finanz- und Kapitalmärkte" mehr geben.
Daher auch meine Grundannahme, kein Staat könne im Kern "pleite gehen".
Zumindest kein Staat mit einem Mindestgewicht im internationalen (Finanz-)System.
Wie heisst der Spruch?
"Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert"?
So sehe ich auch die USA an.
Man kann das ganze ausweiten.

Seit 2003 die Aktienmärkte aufgrund der "Dotcom-bubble" zusammen brachen, wurden Zinsen gesenkt und Geldmengen ausgeweitet.
Das geht nun also schon sieben Jahre mit unterschiedlichen Ausprägungen so.
Unsere Antwort ist heute die selbe wie auch schon 2003. Die Grundprobleme scheinen mir zu wachsen.

Um es ganz klar zu sagen: Eine "Pleite" einer USA, welche einen Anteil von einem Viertel am weltweiten Wirtschaften hat, ist für mich nicht nur unvorstellbar, sondern letztlich ganz unrealistisch.
Egal was notwendig sein wird um es entweder zu verhindern, die Probleme zu verschleiern oder lösen, man wird sie unternehmen.

Die Außerkraftsetzung des "freien" internationalen Devisenhandels wäre bspw. nur ein geringer Preis.
Schon aufgrund demokratischer Prinzipien könnte es dazu kommen - so es bis dahin noch "echte" Demokratien und nicht Output-orientierte Pendants gibt.
Bis dahin sträuben wir uns, solches festzulegen oder den Akutfall festzustellen.

Eine andere Option wäre "Geldproduktion", Geldschöpfung und Kontrolle über das Geld in private Hände zu legen.
Das bedeutete mutmaßlich eine Kreditlosigkeit für sich über Gebühr verschuldende Staaten.
Allerdings ist die heute auch schon offensichtlich hohe Staatsverschuldung kein Grund für höhere Refinanzierungskosten auf den Kapitalmärkten.
Man könnte dies allein mit dem Intervenieren der nationalen, also staatlichen, Notenbanken erklären.
Wären diese privatisiert, müssten sie bei Exzessen aber ebenso eingreifen.
Und wer wäre dann der "lender of last resort"?
Wer sollte den IWF refinanzieren, wenn die USA zahlungsunfähig würden und sich auch keine neuen Mittel mehr besorgen könnten um den Fonds auszustatten, der in anderen Ländern, wie bspw. Griechenland, eingreift?
Wenn auf Geld von Steuerzahlern zurückgegriffen werden soll, gerade um Entitäten zu finanzieren, mit denen man individuell gar nichts zu tun hat, wird das auch mit Eingriffsrechten verknüpft sein müssen.
Oder es führt dazu, dass nahezu alles als "systemrelevant" deklariert wird - wünschenswert ist das nicht.

Durch die Aufhebung des Devisenhandels wäre es möglich, Währungen gegeneinander unbestimmt abwerten zu lassen und sich Schulden zu erlassen.
Fraglich ist ja auch, ob wir die bereits international angesammelten Schulden überhaupt "abzahlen" können - zumindest in heutigen Standards.

Das, was da mit Griechenland abläuft, lässt sich nur mit einem Staat machen, dessen Anteil am Welt-BIP eher gering, bzw. nicht "systemrelevant" hoch ist.
Und anstatt die eigene europäische Politik im Hinblick auf die Eurozone zu überprüfen, vertiefen und eigene Instrumente wie den einst angedachten "EWF", Europäischen Währungsfonds, zu konzipieren, werden die Bindungen zu den USA auf Umwegen erhöht: Indem man den IWF an den Kreditfinanzierungen Griechenlands beteiligt.
Und wie schwierig die Reform des IWF ist, sollte aus den letzten Jahren durchaus bekannt sein.
Ebenso Bestrebungen bspw. lateinamerikanischer Staaten eigene Währungsfonds zu gründen und aus den Eingriffen bspw. in Argentinien zu lernen.
Für die Chinesen ist solches nicht nur vorstellbar, sondern aufgrund des schwachen und durch die USA praktisch unbegrenzt abwertbaren US-Dollars zu erwarten.
Die durch Exporte überschüssigen Dollarreserven in amerikanische Aktien, wie die Citigroup, zu investieren, dürfte absehbar auch eher frustrierend sein. Allerdings erhöht es eine systemstabilisierende oder durch einen Dominoeffekt -gefährdende Interdependenz.

Die Pleite einer Bank war da nur ein Anfang, ihre doch eher "mühsame" Verstaatlichung ebenso.
Diese Diskussion wird man irgendwann nicht mehr führen müssen, sollten sich existenzielle Grundlagen nicht ändern.

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