Sonntag, 13. September 2009

Schlag den Raab - War da was?

War am Abend des Samstag, 13.09.2009, etwas?
Ich zumindest sah Schlag den Raab, anfangs eher beiläufig und desinteressiert im Internet lesend und stöbernd.
Mit zunehmender Zeit auch aufgrund meines Firefox-Twitter-Addons mit wachsendem Interesse.

Nach der Sommerpause stellte sich Raab einem Kandidaten mit Namen "Hans-Martin", seines Zeichens Sportler, ehemaliger Tennis-, Fussball- und Volleyballspieler sowie ehemaliger Leistungsschwimmer mit einem von ihm in der Vorstellung angegebenen überdurchschnittlichen Intelligenzquotienten.

Im Laufe des Abends übernahm das Thema "Hans-Martin" und "Schlag den Raab", kurz #SdR, bei Twitter, dem populären und exponentiell wachsenden Microbloggingdienst, fast vollständig die Führung bezogener Tweets.

Und die Kommentare wurden kritischer und mit zunehmender Zeit auch heftiger.

Zu allererst fällt mir an diesem "Fall" die enorme und schnelle Verarbeitung mit und durch Twitter auf.
Hans-Martin hatte einen fünf Stunden Auftritt auf ProSieben und bereits nach zwei Stunden existierten über 3000 Tweets zum Thema #SdR oder #Hans-Martin.

Nun benahm er sich nicht, wie sich ein Kandidat im Fernsehen und dazu noch in ungewohnter Umgebung benehmen sollte.
Ihm sollte normalerweise daran gelegen sein, das Publikum nicht zu verärgern, es doch eher auf seine Seite zu ziehen.
Dies misslang Hans-Martin vollständig, wenn er dies überhaupt jemals vorgehabt haben sollte; zuletzt wurde er sogar nach seinem Sieg vom Publikum ausgebuht - ein Novum seit ich diese Show sehe.
Eine weitere Erklärung wäre, dass der Kandidat von Anfang an auf Konfrontationskurs in die Show ging und zur Selbstmotivation und Aufrechterhaltung der Aggressivität seinerseits auch beibehalten wollte. Ab und an äußerte er, sich keine "Freunde" machen zu wollen, sondern Geld gewinnen zu wollen.
Dies scheint eine nicht unlogische Begründung für sein Verhalten zu sein, müssen sich Leistungssportler doch häufig selbst motivieren um ständig hohe Leistungen abrufen zu können.
Doch hätte er auch das ein wenig "intelligenter" tun können?
Nicht, wenn er - wiederum spekulativ - möglicherweise schon früh feststellte, unter hohem externen Druck gute Leistungen vollbringen zu können; dann wiederum kann eine gefühlte und tatsächliche "Außenseiter-Position" für eine "jetzt-erst-recht"-Stimmung sorgen.

Allerdings gibt es Hinweise, dass diese gerade genannte Argumentation zumindest planloses Verhalten in Teilen ausschließen muss.

Als es im Spiel "Filmplakate" um den von Hans-Martin erkannten Film "Madagaskar" ging, entgegnete er nach dem Anwurf Raabs, was er doch für Filme sähe, er hätte sich "diesen Quatsch" normalerweise auch nicht angesehen.
Dieser Ausspruch zeugt doch eher vom Willen, sich mit Raab gemein machen und auf seiner Ebene agieren zu wollen; das Publikum und den Kommentator/Moderator aussen vor gelassen.
In Raabs "Wohnzimmer" aber auf dessen Augenhöhe spielen zu wollen ist mindestens vermessen, wohl doch eher dumm.
Zumal sich ersterer davon zumindest nicht ersichtlich stören ließ, zog er seinen ruhigen, in sich gekehrten Spielstil doch mehr oder minder bis zum Ende durch.
Allgemein geht es in dieser Show weniger darum, durch Aktion Raabs Kandidaten bloßzustellen, sondern das Geld nicht auszuzahlen, also zu gewinnen.

In dieser Show musste Raab auch nicht agieren um eine Bloßstellung des Kandidaten zu erreichen, sorgten dafür doch schon Frank Buschmann, Kommentator, und vorallem Martin Opdenhövel, Moderator, und in Teilen das Publikum.
Raab selbst musste nichts anderes tun, als die Spiele routiniert zu absolvieren und am Ende schließlich die beliebte Märrtyrer-Pose des guten Verlierers im Bewusstsein des "eigentlichen Gewinners" aufsetzen.
Er und ProSieben können sicher sein, höhere Einschaltquoten als durchschnittlich bei SdR erzielt zu haben und dies vermutlich auch in kommenden TVTotal-Sendungen zu können, so man sich mit diesem Thema beschäftigt.

Und auf Twitter zeigen sich schon erste weitere Vermarktungsansätze diesbezüglich.


In kurzer Folge erschienen viele Reaktionen auf Hans-Martins SdR-Auftritt, nicht nur aber hauptsächlich bei und über Twitter.
So eine Weiterleitung eines Scherzinfarkt-Artikels, in dem Florian Meyer über Plattformen wie Twitter und Facebook schreibt.(1)
User, die die teilweise unkritische Berichterstattung kritisieren liegen nicht falsch, fallen doch kaum kritische Kommentare wenn auf Tweets Bezug genommen wurde.

Daniel Philip Schuster schrieb kurz nach Ende der TV-Show in Reaktion auf Tweets und Webartikel einen nachdenklichen Kommentar in seinem Blog.(2)

Der nicht unbedeutende und zukünftig diskussionswürdige Kernsatz auf den Punkt bringend:

Willkommen im Internetzeitalter.


Das gipfelt in der seiner Ansicht nach bedeutenden Frage, ob das Internet "anonym" bleiben darf.
Hier sei nur kurz auf bekannte Fakten verwiesen.
Das Internet ist schon lange nicht mehr "anonym"; einem jeden Post kann - theoretisch und mit Aufwand - ein User und eine eineindeutige, straffähige IP-Adresse zugeordnet werden.
Durch verschiedene Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung und -speicherung ist solcherart noch leichter möglich geworden.
Von "Anonymität" kann also keine Rede sein, eher von einer Kommentarflut, dem die Strafverfolgungsbehörden bei einem Anfangsverdacht mglw. gar nicht herr würden. Obgleich in diesem Falle auch kaum Ansatz bestehen dürfte.

Persönliche und niveaulose Angriffe sind auch nicht selten, so kleinere, schmähende Fotomontagen:




Ein deutlich minderjähriger männlicher Zuschauer und Youtube-Nutzer stellte ein fast einmüntiges, durch gespielte oder tatsächliche Entrüstung niveauloser Art seine Kritik an Hans-Martin teilweise kritisch relativierend in den Schatten stellend, Video auf genannter Plattform ein.
Hierbei fragt sich, ob er sich persönlich betroffen fühlt, oder, wie andere Kommentatoren mglw. nicht zu unrecht schlussfolgern, ein Aufmerksamkeitsdefizit kompensieren möchte.
Doch ist es selbst dann die einzigartige Nähe, die Direktheit des Videos, was bemerkenswert ist.
Das und die bereits über 300 Views.



Die Zahl und Art der über Twitter verbreiteten Kommentare überraschten mich einzig wegen des zugrunde liegenden Themas; über die Möglichkeiten und Funktionsweisen des Dienstens sollten spätestens seit der Iran-Proteste kaum noch Zweifel oder Unklarheiten bestehen.
Doch wurde der Dienst hier verwendet, um virtuell gegen eine real-existierende Person zu bashen.
Dabei können die Absender der Tweets wohlgemerkt zunächst mittels Pseudonyme eine "relative Anonymität" erreichen.
Twitter ist in Deutschland auch weiterhin eher unterrepräsentiert, somit stürzen sich einige wenige Internet-Affine virtuell auf eine real-existierende Person und ergehen sich doch mehrheitlich in negativer Kritik bis hin zu Schmähkritik.
Hierfür dürfte die Hoffnung und Meinung verantworlich sein, doch etwas "zu sagen zu haben" oder zumindest Meinungen über das Auftreten eines Menschen in diesem TV-Format äußern zu sollen und dürfen.

Dabei ist das, was wir da sehen konnten, bei nüchtern-rationaler Betrachtungsweise gesellschaftlich gewollt, gesteuert, erzeugt, goutiert und erwartbar.

Eine Show, die mit einem Preisgeld von 500000EUR aufwartet für "Spiele" die selbst in ihrer Gesamtheit nicht annähernd dieses Geld wert sind.
Ein Stefan Raab, angestellter des Fernsehsenders ProSieben, der Aktiengesellschaft ProSiebenSat1, der die Show und den Kandidaten als das betrachtet was sie sind und immer waren: Optionen Geld zu verdienen und sich in die Schlagzeilen zu bringen oder dort zu halten. Was nicht heisst, dass ihm das ganze keinen Spass machen kann.
Aber genauso wie schon einige Kandidaten vor Hans-Martin gegen Raab spielten und teilweise gewannen, wird dies auch zukünftig so sein. Zumindest solange das Format weiterhin Erfolg hat.
Und gerade in meinen Augen - das muss ich zu meiner selbst erkannten Schande gestehen - war der gestrige Fernsehabend gute Unterhaltung; weniger wegen guter sportlicher Leistungen, doch wegen der Reizfigur Hans-Martin und der Atmosphäre des Publikums.
Blieben da noch Opdenhövel und Buschmann, die sich zuletzt eine parteiische Allüre nicht verkneifen konnten. Doch steht beiden dies keineswegs gut zu Gesicht: Opdenhövel sollte die Show nüchtern moderieren und vorallem Buschmann als sonstiger Sportmoderator wissen, was es für einen Kandidaten bedeuten kann dort aufzutreten und wissen, wie das Geschäft läuft.

Ein kontrapunktiver Lichtblick in diesem Zusammenhang war dann eine der letzten Äußerungen Buschmanns, er finde es vollkommen richtig, dass Hans-Martin eben nicht in der Show sei um Freunde zu sammeln, sondern einzig um mit dem Geld nach Hause zu gehen.
Das ist ein Hinweis darauf, dass alle Beteiligten eine gute, fast perfekte Unterhaltungsshow inszenierten. Und selbst Hans-Martin sollte von seinen "Aussagen" profitieren, wird er doch mutmaßlich bei Raabs Show "TVTotal" auftreten und den gespielten Konflikt noch ein wenig zur Schau tragen.
Raab lieferte ein gutes Produkt und sicherlich gute Werbeeinnahmen; der Sender dürfte nicht unzufrieden sein, die Einschaltquoten zumindest nicht unterdurchschnittlich, das mediale Echo ebensowenig.

____________________________
(1): Meyer, Florian: Wenn Dich ganz (Twitter-)Deutschland hasst, http://www.scherzinfarkt.net/2009/09/wenn-dich-ganz-twitter-deutschland-hasst/; letzter Zugriff: 13.09.09 02:55 Uhr.

(2): Schuster, Daniel Philip: Hans-Martin bei SDR (Schlag den Raab), http://daniel-p-schuster.com/evident/2009/09/13/hans-martin-sdr-schlag-den-raab/; letzter Zugriff: 13.09.09 02:59 Uhr.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen