Freitag, 1. April 2011

Oh weh mit den AKW

Mittlerweile sind sieben, bzw. acht, Atomkraftwerke, die in Deutschland gelegen sind, abgeschaltet.
Nach "Fukushima", mittlerweile ebenso ein "geflügelter Begriff" wie "Tschernobyl", sei wenn nicht alles, so doch mindestens das Meiste "anders", so Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie Umweltminister Norbert Röttgen (beide CDU).

Wenn man wissen und verstehen möchte, wie "Politik funktioniert", besehe man sich aktuelle Geschehnisse zum Thema Atomkraftwerke in Deutschland und alternativ bzw. zusätzlich die "Plagiatsaffäre" von Karl Theodor zu Guttenberg (CSU), vormals Dr. und BMV.

Ich war beeindruckt, dies vorweg.
Und zwar zunächst von der Schnelligkeit und relativen "Klarheit" mit der Merkel die "Wende" weg von ihrer "revolutionären Energipolitik" verkündete, nachdem sie noch am 11. März keinerlei Anlass hatte an der "Sicherheit" zu zweifeln, überrascht.
Mir kam da sofort ein sinngemäßes Zitat aus Machiavellis "Fürst" in den Sinn, man solle "grausam sein", wenn man müsse und das so schnell und deutlich tun, wie nur möglich.
Zu fragen wäre auch, was geschehen wäre, hätte es diese "Kehrwende" nicht gegeben. Seit Anbeginn der "Reaktorkatastrophe" war wenig bis nichts substanzielles von Vertretern der Deutschen Bundesregierung oder die sie tragenden Parteien, FDP und CDU/CSU, zu hören. Und das vor "wichtigen" Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.
Diese sind mit den bekannten Ergebnissen nun gelaufen.
Wäre Schwarz-Gelb aber überhaupt noch "auf die Füße gekommen", wenn sie nicht mittels dieser, recht misslungenen, Rochade versucht hätten mediale Diskussionshoheit wiederzugewinnen?

Zweitens war ich "amüsiert".
Weniger ob Japans und dessen Folgen. Sondern über das immer gleiche, gut vorgetragene politische "Spiel".
Der Opposition am ersten Tag "Wahlkampf" vorwerfen, die mediale Berichterstattung zu emotionalisieren und weg von kritischer Berichterstattung zu lenken um am nächsten Tag eine "eilige Pressekonferenz" mit den bekannten Inhalten durchsickern zu lassen.
Es muss wohl "pure Verzweiflung" geherrscht haben, wie damals bei Herrn zu Guttenberg.
Der wurde auch innerhalb nicht einmal einer Woche vom "unverzichtbaren Superstar" zum "Er-kommt-vielleicht-mal-wieder Ex-Minister", der Merkel und Schavan ein Lächeln auf der CeBit abgerungen haben soll.

Für mich ist die Frage der Atompolitik eine fragwürdige und recht "oberflächlich gedachte".
Mir ist schnellstmöglichem Umstieg auf jede Art von regenerativer Energieerzeugung gelegen - ganz prinzipiell.
Uran ist KEIN regenerativer Rohstoff und dürfte daher, ebenso wie Öl, Kohle und Gas, irgendwann versiegen.
Bislang hielt ich Ausstiegsszenarien mit einem Endpunkt bis 2020 realistisch, allerdings gibt es mittlerweile so viele Studien und Leumunde, dass es schwer ist, zwischen "Notwendigkeit" und "Möglichkeit" überhaupt noch unterscheiden zu WOLLEN.
Viele, gerade viele wirtschaftsliberale Befürworter, wollen nicht unterscheiden. Atomkraftwerke sind mit Einnahmen von bis zu einer Million Euro für abgeschriebene Alt-AKW schlicht lukrativ - in der viel gepriesenen Marktwirtschaft sollte man dafür "Verständnis" aufbringen.
Im Hinblick auf die ungeklärte Endlagerfrage, welche hunderte Generationen beeinträchtigen und beschäftigen wird, ebenso wie den Rückbau der Altmeiler kann ich dies aber nicht.

Zwei andere Fragen bleiben fast ausnahmslos unberührt:
Selbst wenn man "von heute auf morgen aussteigen" wollte und könnte, was aufgrund mangelnder regenerativer Substitution nicht ohne weitere CO²-Emission zu haben wäre, bliebe das Problem der zum Abschaltzeitpunkt "aktiven" Brennelemente.
In Fukushima wurden sie in Abklingbecken innerhalb des Reaktorgebäudes gelagert, dies geschieht in in Deutschland gelegenen Atomkraftwerken ebenso.
Begründet man also mit dem mglw. neuen oder neu inkraft zu setzenden kerntechnischen Regelwerk und die Prüfung durch die Reaktorsicherheitskommission (RSK) eine Abschaltung oder Stilllegung bspw. mit mangelnden Sicherheitsvorkehrungen für den Absturzfalle eines Passagierjets, so gilt dies für die Abklingbecken auch bei längst beendeter Energieproduktion durch Kernspaltung im Reaktor.
Theoretisch ist es möglich, dass das Kühlsystem, die Batterien und die Diesel-Notstromversorgung eines Reaktors im Zuge eines solchen Angriffs ausfiele. Die evtl. beim Einschlag entstehenden Löcher in der Reaktoraußenhülle könnten durch das Sinken des Kühlwasserstandes und evtl. spätere "Teilschmelze" mit Brennstäbe eine Teil-Freisetzung von radioaktiven Spaltprodukten zulassen.
Solche Brennelemente werden meiner Kenntnis nach drei Jahre lang gekühlt, bis sie in Castoren verbracht werden können.

Zweitens sticht ein Argument der "Befürworter" ja tatsächlich: Andere Nationen wollen Atomkraftwerke nicht nur nicht abschalten, sondern teilweise neu errichten.
Nun könnte man weiterhin so zynisch sein und evtl. GAUs oder "Super-GAUs" in Japan oder China als zwar "tragisch", aber eben nicht "uns direkt betreffend" betrachten, so wie es letztlich weiterhin geschieht.
Es gibt aber bspw. mindestens drei Atomkraftwerke auf französischem Boden an der deutsch-französischen Grenze, keinen Pazifik und keinen "günstigen" Wind. Einige dieser Meiler sind bereits 40 Jahre alt, also in einem Alter und vermutlich auch Zustand, dass ihnen in Deutschland die Abschaltung drohte.
Falls es in einem solchen Kernkraftwerk zu einem Unfall größeren Ausmaßes kommen sollte, was eben niemals gänzlich auszuschließen ist, wäre Deutschland, wären Länder wie das Saarland oder Rheinland-Pfalz recht direkt betroffen.

Die Frage ist daher nicht einmal unbedingt, ob "wir" Atomstrom importieren, da "unser" Energiebedarf nicht anders gedeckt werden könne. Das ist eine recht "akademische Frage", da man einfach nur auf Kohle oder Gas zurückgreifen müsste.
Hier wird eine europapolitische Problematik, auch im Sinne der alten EURATOM-Verträge, deutlich: Es gibt keine Richtlinien, wann Atomkraftwerke als "unsicher" oder "alt" vom Netz gehen oder zwingend nachgerüstet werden müssen.
Die kurzfristige Lösung kann wiederum eigentlich nur eine europäische sein: Wenn es in Deutschland "sicherere" und "jüngere" Meiler gibt, müssten diese "länger laufen" und im Gegenzug französische Altmeiler abgeschaltet werden und der aus ihnen gewonnene Strom ohne Zusatzkosten an französische Stromkonzerne abgegeben. Also soetwas wie eine "sinnvolle Laufzeitbewertung" auf europäischer Ebene, nicht das, was Schwarz-Gelb in Deutschland tat.
Jedes Kraftwerk weniger mag ein Gewinn Richtung Sicherheit und weg von nicht erneuerbaren Quellen sein.
Es dürfte im Krisenfalle aber herzlich "egal" sein, ob die radioaktiven Wolken nun aus Biblis A oder einem französischem AKW kommen, wenn die direkte Wirkung in ersterem Falle freilich größer wären.
Ansonsten bliebe nur Zwang oder Anreiz für innereuropäischen Umstieg von Atomkraftwerken auf Gas- oder Kohle bzw. Erneuerbare Quellen, nur dürfte das viel Geld und Zeit kosten.
Und im Gegensatz zu Deutschland auch politisch nicht sonderlich schnell durchsetzbar sein.
Eventuell müsste man schlussendlich sogar tatsächlich daran denken, neue Meiler auf höchstem technologischen Standard als europäisches Projekt unter gemeinsamer aufsichtsrechtlicher Führung der Kommission und aller Länder zu errichten, sie teilzuverstaatlichen und mit einem festen Ablaufdatum zu versehen.
Dann wären, in Verbindung mit weiterem Ausbau der Erneuerbaren, der Nutzung von Kohle und Gas, evtl. auch Klimaschutzziele auch in Ländern wie Tschechien oder Polen vermittelbar.

Und falls sich jemand wundert:
Ich verwende absichtlich nicht mehr, versuche das konsequent durchzuhalten, Formulierungen wie "Deutsche AKWen" oder "Deutsche Atomkraftwerke".
Schlimm genug, dass sich Unternehmen die Namen von Staaten und Völkern geben und damit etwas eigentlich "gesellschaftliches", allgemeines kommerzialisieren. Die "Deutsche Bank" wäre ein Beispiel.
Die in Deutschland gelegenen Atomkraftwerke sind aber keine "deutschen Atomkraftwerke", weil sie weder "dem Volk", noch "der BRD" in Verkörperung bspw. einer Gebietskörperschaft gehören, sondern originär privatwirtschaftlichen Unternehmen wie E.On, die teilweise nicht mehr viel mit "Deutschland" zu tun haben.

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